Wer denkt nicht gern an die Gerichte seiner Kindheit zurück – verbunden mit dem einzigartigen Feeling beim Sehen, Riechen und Schmecken? Wenn ihr im östlichen Teil Deutschlands aufgewachsen seid, erinnert ihr euch sicherlich an Spezialitäten, die es nur hier gab. Für einige sind die typischen Speisen der DDR Essen, das sie jeder Gourmet-Küche vorziehen würden. Doch was heißt hier eigentlich „typisch“? Wir sind dem Geheimnis der ostdeutschen Klassiker auf den Grund gegangen – und haben Erstaunliches herausgefunden.
Gewachsenes Kulturgut mit eigenem Charakter
Die Küche der DDR ist zwangsläufig auf das Gebiet der neuen Bundesländer beschränkt – denn sie bildeten den Staat, über dessen typische Speisen und Getränke wir hier reden. Doch die Regionen zwischen Ostseeküste und Thüringer Wald bzw. Erzgebirge haben ihre jeweils eigene Geschichte, die das Essen und Trinken in der DDR stark geprägt hat. Hinzu kamen die Einflüsse benachbarter Länder und das Vorbild der Sowjetunion. In „typischen“ DDR-Gerichten spiegeln sich also geografische, kulturelle und mentale Eigenheiten wider.
Dadurch gab es DIE Küche der Deutschen Demokratischen Republik ebenso wenig wie heute eine einheitliche deutsche Kost. Ob du in Sachsen oder Schwaben isst, macht einen großen Unterschied und selbst an international bekannten Gerichten wie Bratwurst, Sauerbraten oder Klößen scheiden sich die Geister bzw. Rezepte. Sie werden in jeder Region ein klein wenig anders zubereitet und genießen überall den Ruf des einzig Wahren. Ähnlich verhält es sich mit dem, was in der DDR beim Essen auf den Tisch kam: Es gab landesweit vertretene Klassiker, aber auch Regional-Gerichte und deren zahlreiche Variationen.
Einkaufen in der DDR, um Rezepte einzuhalten oder abzuwandeln
Fakt bleibt natürlich, dass in der DDR oft Fantasie gefragt war, wenn es abwechslungsreich zugehen sollte. Viele Lebensmittel waren nicht, nur schwer oder zu überzogenen Preisen erhältlich. Das förderte nicht nur ein seltsames Einkaufsverhalten, sondern gab manchen Speisen auch einen eigenen gesellschaftlichen Wert. Wer es sich leisten konnte, in sogenannten Delikat-Läden einzukaufen, zeigte das seinen Gästen gern – und servierte die dort erhältlichen Dosenfrüchte, als wären sie besonders köstlich. Andere brachen regelmäßig zu Shopping-Touren in die Hauptstadt Berlin auf, um sich dort mit Lebensmitteln zu bevorraten.
Heute lachst du vielleicht darüber, doch in der DDR war Essen eben mehr als Nahrungsaufnahme. Es war manchmal eine Herausforderung, neue oder spannende Gerichte zu kreieren. Und nicht immer schmeckte das, was bei den Versuchen herauskam. Kaum ein Schulkind der DDR erinnert sich gern an den grauen(haften) Gräupchen-Eintopf, der immer montags auf dem Speiseplan stand – aber alle liebten den kräftig-roten Wurstgulasch, dessen geheime Zutat eine ordentliche Prise Zucker ist.
Süßwaren der DDR und Essen anderer Küchen
Apropos Zucker, apropos süß… Naschwerk wie Schokolade, Bonbons oder Kekse gab es entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung sehr wohl. Einige der Erzeugnisse erlebten nach der „Wende“ eine beispiellose Renaissance, weil sie immer wieder nachgefragt wurden. Klassiker wie die cremig-fest gefüllten Halloren-Kugeln sind sogar internationale Export-Schlager geworden. Nach Rezepten für selbst gemachte Leckereien müssen „gelernte DDR-BürgerInnen“ dagegen häufig suchen. Auf unserem Blog findest du die Anleitungen für Zupf-, LPG- und Mooskuchen, wie sie damals auf keiner (Haus-)Party fehlen durften.
Auch auf internationale Speisen musste niemand so ganz verzichten. Es gab einige landesweit berühmte Restaurants, die Gäste aus allen Teilen der Republik anzogen. Dazu gehörten das kubanische Lokal Varadero in Leipzig, die italienische Einrichtung Fioretto in Berlin-Spindlersfeld und der Suhler Waffenschmied, dessen Leiter selbstständig zu japanischer Küche überging. Des Weiteren konnten DDR-BürgerInnen in Hotel-Gaststätten einkehren, wo es ebenfalls „westlich“ angehauchte Gerichte gab.
Kuriosa der DDR beim Essen und bei Preisen
Allerdings mussten viele davon unbenannt werden, da kapitalistische Bezeichnungen im „real existierenden Sozialismus“ unerwünscht waren. So wurde aus dem Hotdog die Ketwurst, aus dem Burger die Grilletta und aus der Pizza die Krusta. Den größten Coup aber landete die Regierung mit dem Angebot von Broiler – verzehrfertigen Brathähnchen, die in zahlreichen Filialen des Landes verkauft wurden. Den Erfolg dieser „Verlegenheits-Lösung“ konnten ihre Erfinder nicht absehen und waren umso überraschter, dass der Kunstbegriff sich fest im Wortschatz von DDR-BürgerInnen etablierte.
Noch heute gilt es als untrügliches Merkmal für die Herkunft, wenn jemand am Hähnchen-Stand Broiler bestellt. Auch sich über die Preise für Brot und Brötchen zu echauffieren ist ein typisches Zeichen für erlebte DDR-Zeiten – denn hier wurden zahlreiche Lebensmittel staatlich subventioniert, um sie günstig anbieten zu können. Zudem kosteten sie überall das Gleiche, sodass Einkaufen in allen Orten immer zu identischen Preisen möglich war.
Stets eine Prise (N)Ostalgie
Demzufolge kostete die Cola im Ferienlager oder bei Oma auf dem Dorf genauso viel wie zu Hause; sie schmeckte nur einfach besser. Viele Speisen und Getränke der DDR sind nicht durch ihre Rezepte außergewöhnlich – sondern durch die Erinnerung, die daran hängt. Daher interessiert es auch keinen, dass eine typische DDR-Soljanka nur wenige Parallelen zum russischen Original aufweist. Sie ist einfach Kult und mundet am besten dort, wo Gleichgesinnte mitessen.
Ein weiteres Merkmal ist, dass viele Zubereitungen nur mit ganz bestimmten Produkten funktionieren. In der Regel sind das Erzeugnisse aus der DDR, die du heute noch bzw. wieder kaufen kannst.
4 thoughts on “Unnachahmlich gut: Speisen der DDR und ihre Rezepte”